Zentralschweiz

Wie hart greifen die Zentralschweizer Polizeien bei Hass im Netz durch?

Polizeiposten im Test

Wie hart greifen die Zentralschweizer Polizeien bei Hass im Netz durch?

Shana Meister, 25. Mai 2024, 16:36 Uhr
Die Diskriminierungsstrafnorm gilt auch im Internet. Das heisst: Die Behörden müssen ermitteln, sobald sie von einer potenziellen Straftat erfahren.
© KEYSTONE/DPA/BERND WEISSBROD
Wie geht die Polizei mit Hass im Netz um? Mit dieser Frage haben sich 30 Reporterinnen und Reporter befasst. Sie haben Polizeiposten besucht, um Hasskommentare zu melden und protokolliert, wie die Behörden mit diesen Aussagen umgegangen sind.

Das öffentliche Verbreiten von Hass und Diskriminierung aufgrund von Rasse, Ethnie, Religion oder sexueller Orientierung ist in der Schweiz strafbar und kann bis zu drei Jahre Haft bedeuten, so die Redaktion von «Reflekt». Theoretisch muss die Polizei also ermitteln, wenn sie von solch einer Straftat erfahren.

Um herauszufinden, wie die Polizei mit solchen Anzeigen umgeht, besuchten Reporterinnen und Reporter 34 Polizeiposten in 21 Kantonen, um gegen potenziell strafbare Hasskommentare Anzeige zu erstatten. Dabei dokumentierten sie, was sie auf den Posten erlebten und wie die Polizei auf Anzeigen gegen Hasskommentare reagierte.

Das Resultat empfinden die Journalisten und Journalistinnen als ernüchternd – auch das Vorgehen einiger Zentralschweizer Polizeien. In 18 von 34 Fällen war eine Anzeige auf dem Polizeiposten nicht oder nur bedingt möglich, berichtet die Redaktion von «Reflekt».

Schwyz und Zug

Am häufigsten begründeten die Beamtinnen und Beamten die Ablehnung damit, eine Anzeige könne nur erstatten, wer selbst von einem Hasskommentar betroffen sei. So wurde etwa in Einsiedeln und Zug argumentiert.

Die Polizistin in Zug fragte, ob die Anzeigestellerin selbst betroffen sei, was die Frau verneinte. Daraufhin erklärte die Beamtin, dass nur Betroffene eine Anzeige erstatten können und die Kommentare direkt gegen eine Person gerichtet sein müssen, damit die Staatsanwaltschaft ermittelt.

In Einsiedeln fühlte sich die Anzeigestellerin nicht ernst genommen. Der Polizist sagte, nur Betroffene könnten Ehrverletzung anzeigen. Die Frau verliess den Posten ohne eine Anzeige gemacht zu haben.

Auf die Vorfälle konfrontiert teilten beide Polizeien mit, es sei ihnen nicht möglich, den Vorfall zuzuordnen. Sie könne daher nicht Stellung nehmen. Sie versichern jedoch, dass Wissenslücken ernst genommen werden und regelmässige Aus- und Weiterbildungen stattfinden.

Luzern

Wissenslücken konnten auch in zwei Polizeiposten in Luzern festgestellt werden. Beide Polizisten auf den jeweiligen Posten hätten die Anliegen jedoch ernst genommen. In Eschenbach wurde die Anzeige an die Staatsanwaltschaft rapportiert. Dort wurde ein Verfahren eröffnet, jedoch wieder sistiert, da bisher keine Täterschaft ermittelt werden konnte.

Der Beamte auf dem Polizeiposten Hirschengraben sei unsicher gewesen, ob die Staatsanwaltschaft so etwas verfolgen würde, die Ermittlungen seien sehr schwierig. Er bot an, zuerst mit der Staatsanwaltschaft zu sprechen. Einige Tage später teilte er mit, dass es sich um eine Beschimpfung und keinen Offizialdelikt handele. Die Anzeigestellerin verzichtete auf eine Anzeige. Der Polizist habe jedoch einen «Eintrag» zum Vorfall gemacht, der für andere Polizeien einsehbar sei.

Auf den konkreten Vorfall konnte die Luzerner Polizei im Nachhinein nicht eingehen. Sie könne diese nicht rekonstruieren und daher auch nicht kommentieren.

Nidwalden und Obwalden

In Sarnen wurde die Anzeige ohne Probleme angenommen und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Ob ein Verfahren eingeleitet wurde, bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft erklärte lediglich, dass sie bei Verstössen gegen die Rassismusstrafnorm genauso sorgfältig wie bei anderen Straftaten ermittelt.

In Stans wurde dem Anzeigesteller zunächst von zwei Polizisten gesagt, dass er keine Anzeige erstatten könne, wenn er nicht direkt betroffen sei. Nach längerer Diskussion nahm sich ein Polizist der Sache an und wollte prüfen, ob die Kommentare strafbar seien und eine Anzeige möglich sei. Später informierte die Polizei, dass die Staatsanwaltschaft nun zuständig sei. Die Staatsanwaltschaft Nidwalden erklärte jedoch, dass ihr keine Anzeige bekannt sei und ein Ermittlungsverfahren wegen Diskriminierung und Aufrufs zu Hass noch bei der Polizei anhängig sei.

Uri

Der Beamte auf dem Polizeiposten Altdorf habe alle Kommentare angeschaut und die Anzeigestellerin sehr ausführlich befragt, berichtet die Redaktion. Er habe der Anzeigestellerin davon abgeraten, Anzeige zu erstatten, wenn sie nicht selbst betroffen sei. Später habe er der Anzeigestellerin telefonisch geraten, die Kommentare bei der Plattform «reportonlineracism.ch» zu melden und die Strafanzeige zurückzuziehen. Diesem Rat sei die Anzeigestellerin gefolgt.

Auf Anfrage schreibt die Kantonspolizei Uri: «Das Erscheinen der Person und die Schilderung ihres Anliegens wurde im Journal vermerkt. Die Anzeigeerstatterin wurde [...] auf die Möglichkeit hingewiesen, ihre Feststellungen alternativ auf der Plattform www.reportonlineracism.ch zu melden [...]. Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie selbstverständlich auch an der Anzeige auf dem Polizeiposten festhalten kann. Die Anzeigeerstatterin hatte anschliessend ihren Strafantrag zurückgezogen.»

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 25. Mai 2024 16:36
aktualisiert: 25. Mai 2024 16:36