Wie das Dampfschiff Wilhelm Tell nur knapp dem Felssturz am Bürgenstock entkam
Samstagabend, 8. August 1964, 20.12 Uhr: Das 1908 gebaute Dampfschiff Wilhelm Tell mit Kapitän Georg Huber war in Richtung Hertenstein unterwegs, vis-à-vis des Bürgenstocks.
«Mit dem Dampfer Wilhelm Tell hätte er um 20.16 in Hertenstein anlegen sollen. Das Landemanöver war bereits eingeleitet worden und den Maschinisten hatte er von der Kommandobrücke aus ‹Stopp› befohlen», schrieb die Tagespresse am 10. August 1964.
Er reagierte sofort, als sich beim Steinbruch Obermatt am Bürgenstock aus 160 Metern Höhe 200'000 Kubikmeter Stein löste und in den Vierwaldstättersee stürzte.
Fernseh-Bericht vom 10. August 1964 (ab 05:08)
Kapitän konnte Schlimmeres verhindern
«Er liess das Schiff mit voller Kraft rückwärts fahren», hiess es in der Berichterstattung der «Zürcher Zeitung» vom 10. August 1964. Der Artikel ist in der Schweizer Mediendatenbank zu finden.
Als sich die rund 20 Meter hohen Flutwellen über dem Vierwaldstättersee ausbreiteten, rettete der Kapitän sich und die 75 Passagiere bereits aus der gefährlichen Uferzone. In den Berichterstattungen von 1964 sprachen mehrere Zeitungen davon, dass er somit eine grössere Katastrophe verhindern konnte. Auch der Zeitpunkt des Felssturzes soll Schlimmeres verhindert haben, da nur noch wenige Boote auf dem Vierwaldstättersee unterwegs gewesen waren.
Hoher Sachschaden durch Flut
Die vom Felssturz ausgelösten Flutwellen brachten nicht nur die Menschen an Bord der Wilhelm Tell in Gefahr, sie zerstörten auch den Steinbruch-Nauen, Bootshäuser und die Anlegestellen beim Restaurant Obermatt. In Vitznau sank der Seespiegel um etwa 1,5 Meter, gefolgt von einer Grundwelle, die das Ufer überschwemmte. Die parkierten Boote zwischen Vitznau, Weggis und Hertenstein wurden dabei stark beschädigt oder gar zerstört.
Laut Berichten forderte dieser historische Felssturz beim Bürgenstock einen mehrtägigen Grosseinsatz von Polizei und Feuerwehr. «Die vom Polizeiposten Weggis alarmierte Kantonspolizei Luzern rückte zusammen mit dem Boot der Stadtpolizei Luzern an den Unfallort aus.» Weiter hiess es in einem Zeitungsartikel, dass die Polizei drei Nauen einsetzte, um grössere Trümmerteile und Boote einzusammeln. Weiter sperrten die Einsatzkräfte den Ort des Geschehens grossräumig ab.
Wie kam es zum Felssturz?
Die «Zürcher Zeitung» erklärte die Ursache des Vorfalls von 1964 wie folgt:
«Als Ursache des Felssturzes, der sich am 8. August im Steinbruch Matt ereignete, wird im allgemeinen angenommen, dass das Felsmaterial sehr zerklüftet gewesen sei. Im Sommer dringt Wasser in die Schrunde ein, und im Winter sprengt das Eis den Fels. Dadurch entsteht, wie überall in den Bergen, ein Verwitterungsprozess, dessen Gefahren durch die starke Neigung des Hanges erhöht werden.»
Kapitän Georg Huber mit Prämie belohnt
Schwerverletzte oder gar Tote forderte der 8. August 1964 glücklicherweise nicht.
«Wilhelm Tell»-Kapitän Georg Huber bekam für seine Tat von der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees eine Prämie von 100 Franken. Die restlichen Personen der Besatzung erhielten je 20 Franken. 1966 ging Huber in Pension. Er verstarb 1981.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.