Darum sollte Bernhard Alpstaeg seine Vision noch einmal überdenken
Für Josef Bieri, Stefan Wolf und die weiteren Verwaltungsräte muss es brutal sein. Sie kämpfen für ihren FC Luzern. Sie setzen alles daran, aufzuzeigen, wie gut die aktuelle Führung arbeitet. Wie sehr der Verein in der Region verwurzelt ist und welch breite Basis den FCL trägt. Und dennoch müssen sie hilflos und schon beinahe ohnmächtig mit anschauen, was am Donnerstagabend Tatsache sein wird. Bernhard Alpstaeg wählt den gesamten Verwaltungsrat ab und macht sich wohl zum alleinigen FCL-Herrscher – Mehrheitsaktionär und vorübergehender Präsident.
Bernhard Alpstaeg hat am Montag in einer Mitteilung seine Pläne erneut unterstrichen und seine Vision für den FCL vorgestellt. Alpstaeg spricht auch davon, dass seine Familie Opfer einer Hetzkampagne geworden sei. Unterstützt von der Clubleitung. Irreführend und beispiellos dazu. Herr Alpstaeg sollte sich aber auch daran erinnern, dass er mit Stefan Wolf und Remo Meyer vor wenigen Wochen genau dasselbe gemacht hat.
Wolf als Präsident besucht unzählige Vereine, Clubs, Donatorenvereinigungen. Er repräsentiert den FCL in der Öffentlichkeit und lässt keine Möglichkeit aus, die wichtige Bindung des Clubs zur Region und zu den Fans zu hegen und zu pflegen. Da wiegt der Vorwurf, Wolf «müsse lernen zu arbeiten», sehr schwer. Und unverständlich.
Es gehe ihm primär um das Wohl des FC Luzern, so Alpstaeg in seinem Statement weiter. Wirklich? Diese Frage stellt sich bei vielen Beobachtern aktuell unmissverständlich. Eine weitere Frage ist nach wie vor nach dem «Warum»? Warum lässt sich Bernhard Alpstaeg zu diesen Plänen und den damit verbundenen Unruhen hinreissen? Antworten fehlen in der im Communiqué dargestellten Vision. Zumindest eindeutige.
Bernhard Alpstaeg lässt seine Vision vom FC Luzern verlauten. Betrachtet man diese etwas genauer, stellt sich die Frage nach dem «Warum» umso mehr. Denn Handlungsbedarf scheint eigentlich nicht ersichtlich.
Punkt 1: «Erfolge auf und neben dem Platz»
Aktuell liegt die Mannschaft auf Tabellenplatz 3. Der Zuschauerschnitt liegt beinahe bei 12'000. Dieser Punkt scheint erfüllt.
Punkt 2: «Eine attraktive Mannschaft und spektakulärer Fussball, der das Team regelmässig gewinnen lässt»
Regelmässigkeit ist im Schweizer Fussball schwierig. Ausser YB kann dies wohl kaum ein Team garantieren. Selbst der FC Basel mit deutlich mehr finanziellem Spielraum als der FCL schafft dies aktuell nicht. Aber attraktiv und spektakulär spielt die viertbeste Offensive der Liga definitiv. Dieser Punkt scheint somit ebenfalls erfüllt.
Punkt 3: «Dank erstklassiger Nachwuchsarbeit eine herausragende Rolle auf dem Transfermarkt, die uns international zu einem Faktor macht»
Pascal Loretz, Thoma Monney, Leny Meyer, Marco Burch, Luca Jaquez, Severin Ottiger, Ardon Jashari, Lorik Emini, Noah Rupp und Nando Toggenburger: 10 Spieler sind aktuell Teil der ersten Mannschaft, die allesamt aus dem eigenen Nachwuchs stammen. Jashari wird wohl zum absoluten Millionentransfer in absehbarer Zeit. Schon Jonas Omlin, Ruben Vargas, Darian Males oder auch Filip Ugrinic konnten als Eigengewächse gefördert und gewinnbringend verkauft werden. 18 Millionen Transfereinnahmen – 11 Millionen netto – hat Remo Meyer in den vergangenen fünf Jahren, seit Amtsantritt 2017, erwirtschaftet. Auch dieser Punkt scheint erfüllt.
Punkt 4: «Grosse Unterhaltung für unsere Zuschauer im Stadion und am Fernsehen»
Mit 6'500 Abo-Cards wurden so viele Saisonkarten wie seit sieben Jahren nicht mehr verkauft. Und dies trotz sportlicher Baisse in der vergangenen Saison. Aktuell liegt der Zuschauerschnitt bei beinahe 12'000 pro Spiel. Der FCL scheint zu unterhalten und zu gefallen, auch dieser Punkt scheint erfüllt. Auch wenn es – ganz nüchtern betrachtet – immer noch freie Plätze im Stadion hat. Und mehr geht bekanntlich immer.
Punkt 5: «Die bestmöglichen Führungspersönlichkeiten auf jeder Schlüsselposition»
Dies lässt sich abschliessend nicht beurteilen. Der FCL hat es jedoch geschafft, unzählige ehemalige Spieler in wichtigen Funktionen zu integrieren. Marini, Wolf, Meyer, Zibung oder auch Lustenberger bringen Identifikation. Dieser Punkt scheint teilweise erfüllt.
Punkt 6: «Klare Strukturen von oben bis unten»
Das teils undurchsichtige Führungskonstrukt beim FCL wird von Fan-Seite schon länger bemängelt. Hier gäbe es sicherlich einige Ansätze, damit der FCL einfacher und klarer strukturiert wäre. In diesem Punkt gibt es garantiert noch Luft nach oben.
Punkt 7: «Attraktiver Arbeitgeber im Wirtschaftsraum Luzern»
173 Mitarbeitende beschäftigt der FC Luzern. Allein daran lässt sich eine Attraktivität jedoch nicht messen. Dies wird auch in Zukunft so sein. Ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, steht in vielen Visionen von Firmen. Allen recht machen kann man es sicherlich nie. Daher wird es auch immer den einen oder anderen geben, der sich über den Arbeitgeber moniert. Egal ob beim FCL oder bei der Swisspor.
Punkt 8: «Ein potenter Mehrheitsaktionär»
In diesem Punkt unterscheidet sich die Meinung von Bernhard Alpstaeg mit jenen der FCL-Fans wohl am meisten. Der Verein sollte sich in erster Linie selbst finanzieren. «Die Aktionäre stehen eigentlich weit unten in der Hierarchie und kommen ganz am Schluss zum Tragen, wenn es nicht mehr geht», so die Aussage von Sepp Bieri. Potente Aktionäre sichern ab, aber sie finanzieren den Verein nicht. Ein Drittel des Umsatzes von 25,5 Millionen Franken im Jahr generiert der FCL durch Spieleinnahmen dank Tickets und Verpflegung und so weiter. So betrachtet würde «wer zahlt, befiehlt» bedeuten, dass die Fans das Sagen hätten.
Punkt 9: «Eine in der Region bestens verankerte Marke, die aber auch national und später gar international Beachtung und Respekt verdient»
Gutes Image aufbauen geht nicht von heute auf morgen. Der FC Luzern hat in der Vergangenheit nicht immer ein optimales Bild abgegeben. Meistens kamen die Turbulenzen jedoch nicht, weil die Spieler es auf dem Platz verbockt hatten, sondern dann, als «Zirkus Stierli» seine Tore öffnete. Oder wie jetzt, wenn sich mit Bernhard Alpstaeg erneut ein Geldgeber operativ einmischt. Der FCL ist auf dem Weg zu einer guten Marke. Interessant für junge Spieler, attraktiv für Fans, lukrativ für Sponsoren und spannend für ausländische Vereine. So gesehen wäre auch dieser Punkt aktuell bereits erfüllt.
Punkt 10: «Ein hochwertiges Netzwerk zu wichtigen Wirtschaftsführern, Politikern und Medienhäusern»
Von aussen ist dieser Punkt sehr schwer zu beurteilen und zu qualifizieren. Im Stadion sind jedoch kaum Werbeplätze frei. Banden sind verkauft, die Werbung vielseitig und auf dem Trikot prangen Logos und Namen, egal ob auf den Shirts, Hosen oder Stulpen. Das Netzwerk zu wichtigen Wirtschaftsführern scheint gegeben.
Politisch ist der FCL auf Augenhöhe mit Behörden und Polizei. Dies zeigen die runden Tische, die laufend geführt werden, gerade in Anbetracht des Themas Sicherheit. Der Kontakt zu den Medienhäusern ist ebenfalls vorhanden. Der FCL ist Thema in der Berichterstattung und wird verfolgt. Auch der letzte Punkt in Alpstaegs Vision scheint somit erfüllt.
Fazit
Somit scheinen rund 7,5 von 10 Punkten bereits Stand heute erfüllt zu sein. Es bleibt die Frage, warum also will Bernhard Alpstaeg dennoch alles ändern? Er lässt auch in seiner Medienmitteilung nicht unversucht zu betonen, wie sehr ihm der FCL am Herzen liegt. Dass er selbst von Fussball keine Ahnung habe und sich aus dem operativen Geschäft raushalten wolle, betonte er nicht zuletzt auch vor rund anderthalb Jahren. Der Aktionärsstreit konnte damals gelöst werden. Alpstaeg beteuerte, fortan volles Vertrauen in die Führung zu haben und sich nicht mehr einzumischen. In eine Führung, die er notabene mitinitiert und mitgestaltet hat. Doch von diesen Absichten und den damaligen Versprechen scheint Herr Alpstaeg nichts mehr wissen zu wollen.
Die Pläne von Bernhard Alpstaeg sind schwierig nachzuvollziehen. Es macht den Eindruck, dass er nicht von selbst auf solche Gedanken gekommen wäre. Wer also steckt wirklich hinter den Plänen? Namen von Beratern und möglichen Agenten geistern einige herum. Alpstaeg allein wird wissen, von wem seine Gedanken geprägt wurden.
Zu hoffen, dass Bernhard Alpstaeg sich von seinen Plänen bis am Donnerstagabend abbringen lässt, ist wohl vergebene Mühe. Vielleicht lässt er sich doch noch zum Verkauf von einem Teil seiner Aktien überzeugen. Ein Angebot dazu dürfte ihm Josef Bieri bei einem gemeinsamen Gespräch am vergangenen Samstag gemacht haben. Auch wenn Josef Bieri auf diese Frage hin mit «kein Kommentar» antwortet. Es sei Stillschweigen vereinbart worden und daran halte er sich auch, so Bieri.
Vielleicht liest Herr Alpstaeg bis am Donnerstag «seine» Vision noch einmal durch. Und wenn er dies ohne Emotionen, Befangenheit oder Vorurteile macht, kommt auch er vielleicht zum Schluss, dass die Arbeit der jetzigen Führung doch nicht ganz so verkehrt ist. Und dass er und der Verein im Grundsatz die selben Ziele verfolgen. Aktuell einfach auf anderen Wegen.
Für eine persönliche Stellungnahme war Bernhard Alpstaeg am Montag nicht erreichbar.