Mit diesem Plan soll die Reuss in Zukunft vor Gericht ziehen können
Man muss klein anfangen – scheint sich zumindest Markus Schärli zu denken. Er ist Initiant und Präsident des «Verein Rechtsperson Reuss» – hat aber ein klares Ziel vor Augen: «Es muss anerkannt werden, dass auch die Natur eine Rechtspersönlichkeit und Grundrechte hat – wie es bei Menschen und Firmen schon lange der Fall ist», erklärt er im Gespräch mit PilatusToday und Tele 1.
Die Reuss würde sich besonders gut für so ein Anliegen eignen, behauptet Markus Schärli schon zuvor gegenüber «SRF». Denn der von den Voralpen über Luzern bis in den Aargau fliessende Strom ist besonders stark von der Industrie, Landwirtschaft und dem Verkehr betroffen.
Wie soll das gehen?
Konkret würde die Natur, hier die Reuss, ein handlungsfähiges Organ bekommen, welches die Interessen des Flusses vertritt. Es sei mit der Organisation einer Stiftung zu vergleichen, meint Markus Schärli auf Anfrage von PilatusToday.
Die Interessen des Flusses könnten jedoch nicht von irgendjemandem vertreten werden. «Es müsste sicher hierfür ein qualifiziertes Gremium sein», meint der Initiant. Aus einer Gruppe von interessierten und qualifizierten Personen soll dann in seiner Vorstellung mit einem Losverfahren das Organ für eine bestimmte Zeit zusammengestellt werden. «Die Interessen dürften natürlich nie von Personen vertreten werden, die selbst persönliche Interessen verfolgen», ist dem Initianten wichtig.
Wird die Reuss nun stark verschmutzt, könne sie selbst eine natürliche oder juristische Person vor Gericht ziehen. So sollen laut Schärli Schadenersatzsummen erwirkt werden. Das sei abschreckender wie eine Busse, welche jetzt bei Gewässerverschmutzung verhängt wird.
Weiter könnten beispielsweise durch die Energiegewinnung Einnahmen generiert werden. Markus Schärli erklärt ein Beispiel: «Soll ein Kraftwerk gebaut werden, müsste das Organ Reuss natürlich dem zustimmen. Der Fluss könnte Vorgaben machen, die ihrem Schutz dienen. Die Reuss gäbe dann dem Energiekonzern die Erlaubnis, ein Kraftwerk zu bauen – und würde dafür entschädigt.»
Kann die Reuss dann auch verklagt werden?
«Ja klar», so die deutliche Antwort von Markus Schärli. So sollen die Einnahmen, die die Reuss generieren würde, später für die Schäden eingesetzt werden können, die die Reuss verursacht. «Bei einem Hochwasser würde auch die Reuss ihren Beitrag zu den Reparatur- und Renovationsarbeiten leisten können», meint der Initiant. Die Reuss hätte für solche Fälle eine Haftpflichtversicherung, wie jedes Unternehmen auch.
Wäre die Reuss ein eigenes Rechtssubjekt, dann würden sich vermutlich auch die Geldflüsse ändern. Da Flusslandschaften der Regel in Staatsbesitz sind, würde sich diesbezüglich an den Kosten für die Bevölkerung wohl kaum etwas ändern, so die Einschätzung von Schärli.
Woher soll man die Interessen der Reuss kennen?
Darauf scheint Markus Schärli ebenfalls eine Antwort zu haben. Laut ihm sei dafür auch etwas Empathie gefragt. Er meint: «Was denken Sie: Hat ein Fluss es gerne, wenn er vergiftet oder in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird? Oder was würden Sie denken, wenn Sie der Fluss wären?» So würde man mit gesundem Menschenverstand zu guten Resultaten kommen.
Auch für ihn ist klar, dass man irgendwann an die Grenzen stösst, den Willen des Flusses zu kennen: «Ob der Fluss dann lieber eine Rechts- oder Linkskurve nimmt, ist letztlich egal.» Wichtiger findet Markus Schärli, dass die menschlichen Interessen etwas zurückgestellt werden und jene der Natur etwas in den Vordergrund. «Es ist schliesslich alles eine Frage der Prioritätensetzung», so das Fazit des Initianten.
In anderen Ländern ist es schon so weit
Die Schweiz würde dabei keine Vorreiterrolle übernehmen. Beispielsweise ist in Neuseeland der Whanganui-Fluss, wie auch der Berg Taranaki eine juristische Person. In Spanien etwa ist die Salzwasserlagune Mar Menor eine Rechtspersönlichkeit. Jede und jeder Bürger Spaniens kann laut «SRF» im Namen der Lagune vor Gericht ziehen.
Rechtsexperten sind skeptisch
Wie das «SRF» weiter schreibt, kämen aus der Rechtswissenschaft kritische Stimmen. So würden sie es als reine Symbolik betrachten, denn schlussendlich würde trotzdem ein Mensch die Rechte für die Natur geltend machen. Es sei also nicht einfacher, die Rechte durchzusetzen.
Für den Initianten hingegen ist die Reuss nur der erste Schritt: «Rechte kamen nie freiwillig daher», meint der Initiant. «Das war schon bei den Rechten für Sklaven oder bei den Frauenrechten so.» Er führe den Kampf für die Rechte der Natur. Weiter könne er sich vorstellen, dass das Prinzip jeweils für Tierherden angewendet werden könnte – wie auch für Gletscher und jegliche Natureinheiten. Bis es aber so weit ist, muss zuerst die Volksinitiative im Kanton Luzern zustande kommen. Wenn das Anliegen angenommen wird, würde es an die konkrete Umsetzung gehen. Es wird also noch viel Wasser die Reuss runterfliessen.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.