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Hochschule Luzern: «Virtual Kids»: Neue Software trainiert Ermittler im Umgang mit Kindern

Hochschule Luzern

«Virtual Kids»: Neue Software trainiert Ermittler im Umgang mit Kindern

Peter Helfenstein, 22. Mai 2024, 21:47 Uhr
Mit der Trainingssoftware können Ermittler Befragungen mit Kindern üben.
© HSLU
Eine neu entwickelte KI-Software soll die Befragungspraxis von missbrauchten Kindern verbessern. Die Projektleiterin erhofft sich, dass sich die neue Software als Trainingsinstrument etabliert und fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung wird.

Damit es nach einem Kindesmissbrauch zu einem Strafverfahren kommt, braucht es einerseits eine Anzeige und andererseits Befragungen des Kindes durch Ermittler. Dies sind heikle Gespräche.

«Es handelt sich um eine wahnsinnig anspruchsvolle und verantwortungsvolle Arbeit», sagt Susanna Niehaus. Die Rechtspsychologin leitet an der Hochschule das Projekt «Virtual Kids». So heisst die Software, die ein Team der Hochschule Luzern und der ZHAW Winterthur entwickelt haben. Das Ziel der Software: Angehende Ermittlerinnen und Ermittler sollen mit virtuellen Kindern sprechen und so trainieren.

Besonders durch Autoritätspersonen wie eine Polizistin oder einen Staatsanwalt liessen sich Kinder schnell beeinflussen, sagt die HSLU-Professorin Susanne Niehaus. In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff «Scheinerinnerungen». Das sind echt wirkende Erinnerungen an Dinge, die das Kind aber nie erlebt hat. Solche «Scheinerinnerungen» können dann entstehen, wenn Kind mittels Suggestivfragen mehrmals zu einem Sachverhalt befragt wird.

Die Geschichte mit dem Sturz vom Pferd

«Ich habe gehört, du seist von einem Pferd gefallen», formuliert Susanna Niehaus als Beispiel eine Suggestivfrage. Im Rahmen einer Studie wurde diese Frage mehrmals Kindern im Alter zwischen sechs und acht Jahren gestellt. Keines ist je von einem Pferd gefallen. Trotzdem schilderten knapp 80 Prozent der Kinder bereits nach vier lockeren Gesprächen mit «Ermittlern» erstaunlich detailliert, wie sie von einem Pferd gefallen sind.

Prof. Dr. Susanna Niehaus hat selbst jahrelang Befragungen durchgeführt, publiziert Bücher zum Thema und bildet angehende Ermittler aus. Sie leitet das Projekt an der Hochschule Luzern.

© HSLU / Susanna Niehaus

Mit der neu entwickelten Trainingssoftware haben angehende Ermittlerinnen und Ermittler nun ein realitätsnahes Übungsszenario. Denn: Das Trainieren mit echten Kindern ist aus ethischen Gründen nicht möglich. Via Computer kann man kindliche KI-Charaktere befragen. Je nach Art der Frage gibt die KI unterschiedliche Antworten.

Pilotphase mit der Polizei

Im Herbst startet in der ganzen Deutschschweiz eine einjährige Pilotphase mit einer entsprechenden Trainingssoftware. Dabei wird das Team von Susanna Niehaus auch testen, ob die angehenden Ermittler durch das neue Training anschliessend auch echte Kinder besser befragen können. Bisher konnten solche Befragungen nur in Rollenspielen unter Erwachsenen geübt werden.

Spiessrutenlauf in der Praxis bleibt

Wie eingangs erwähnt: Befragungen von missbrauchten Kindern sind heikel. Laufen sie schlecht, werden sie als Beweismittel möglicherweise unbrauchbar. Und das wiederum kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass eine Person, die eine gravierende Straftat begangen hat, nicht verurteilt wird.

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Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 22. Mai 2024 21:47
aktualisiert: 22. Mai 2024 21:47