«Pragmatische Lösung» – So begründet die Regierung die Bettelverbot-Lockerung
Der EGMR war 2021 zum Schluss gekommen, dass die Verurteilung einer Bettlerin im Kanton Genf nicht zulässig gewesen sei. Ein absolutes Bettelverbot verstosse gegen das Recht, öffentlich um Hilfe zu bitten und verhindere eine Interessensabwägung im Einzelfall.
Luzern orientiere sich am Kanton Basel-Stadt. «Hier musste das Bundesgericht bereits einmal über die Regelung befinden», erklärt Regierungsrätin Ylfete Fanaj im Gespräch mit PilatusToday und Tele 1. Man sei so auf der sicheren Seite.
Bettelnde sind Opfer
Das Argument, dass hinter Bettlerinnen und Bettlern oft kriminelle Banden stehen, liess das Gericht nicht gelten. Die Bestrafung der Opfer sei keine geeignete Massnahme, um die organisierte Kriminalität und den Menschenhandel zu bekämpfen.
Anja Meier, SP-Kantonsparlamentarierin, meint: «Armut ist kein Verbrechen. Wir begrüssen es ausserordentlich, dass der Kanton Luzern endlich von diesem pauschalen Bettelverbot wegkommt.» Die Kritik folgt allerdings sogleich: «Wir bedauern, dass es dafür ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte brauchte.»
Damit sei auch das umfassende Bettelverbot im Kanton Luzern nicht mehr zulässig, erklärte die Luzerner Regierung in ihrer am Montag publizierten Botschaft an das Parlament. Ein teilweises Bettelverbot zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei aber weiterhin möglich.
Grundsätzlich erlaubt
Neu soll das Betteln grundsätzlich erlaubt sein. Die neue Gesetzesnorm sieht aber Einschränkungen vor. Gemäss Fanaj habe man ein pragmatisches Verfahren gewählt. «Dass man nicht beispielsweise die Anzahl Meter messen muss», führt sie aus. Verboten sein soll aggressives oder aufdringliches Betteln. Auch das Betteln an bestimmten Orten (genannt werden in der Botschaft etwa Friedhöfe, Schulanlagen, Spielplätze, Ein- und Ausgänge, Haltestellen oder Standorte von Geldautomaten) soll nicht zulässig sein.
Die Luzerner Regierung bezeichnete diese Lösung als «Signal an international agierende Organisationen, dass organisiertes Betteln nicht toleriert wird und sich Betteltourismus nicht lohnt.» Weitergehende Einschränkungen zugunsten von Passanten, Anwohnern oder Ladenbesitzern seien nicht zulässig. Es gebe kein Recht, im öffentlichen Raum nicht gestört zu werden.
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(sda)