Sind Einkaufscenter bald out? Wirtschaftsexperte klärt auf
Erst kürzlich verschwand aus der Mall of Switzerland ein weiteres Geschäft. Der italienische Modehändler Terranova hat seinen Standort in Ebikon aufgegeben, schrieb die Luzerner Zeitung vergangene Woche. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Berichte über häufige Wechsel der Geschäfte in der «Mall».
Multi Switzerland AG, welche die aktuelle Leitung der Mall hat, begründet den Weggang von Terranova mit dem modernen Einkaufscenter, welchem einem ständigen Wechsel unterliegen würde. Geschäfte kommen und gehen, teils sind Einkaufscenter in verschiedenen Zentralschweizer Kantonen gefühlt kaum besucht und der Druck durch den Online-Handel ist Realität. Wie steht es um die Zukunft der Einkaufscenter und weshalb sind einige fast immer voll und andere wirken eher leer?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier
Dass Menschen gewisse Center bevorzugen, hat mit unserem Einkaufsverhalten zu tun, erklärt Marcel Zbinden, Wirtschaftspsychologe am Institut für Kommunikation und Marketing an der Hochschule Luzern. Wir Menschen vermeiden Veränderungen in unserem Leben und unser Konsum- und Kaufverhalten ist stark von Routine geprägt. «Deswegen kann man sagen, dass Leute, die bis anhin Einkaufscenter nicht mochten, auch in Zukunft durch neue Angebote kaum angesprochen werden», erklärt Zbinden.
Jene Leute, die bis anhin gerne in Einkaufscenter verkehrten, würden in erster Linie ihrem Center treubleiben. «Wenn wir nämlich zufrieden mit dem Ort sind, wo wir einkaufen, hinterfragen wir dies auch nicht. Wir müssen schon genug Entscheidungen tagtäglich treffen und sind froh, wenn wir nicht alles neu hinterfragen müssen.»
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Dem Alten treu bleiben?
Auffällig: Gerade ältere Einkaufscenter kommen bei der breiten Gesellschaft besser an als jene, die neu aus dem Boden gestampft wurden. Auch hierfür hat der Wirtschaftspsychologe Zbinden eine Erklärung: «Wenn wir in ein neues Einkaufscenter shoppen gehen, geschieht dies wegen des Aspekts Neugier. Dabei findet aber in der Regel kein aktiver Vergleichsprozess zwischen dem neuen und alten Center statt.»
Deswegen sei es sehr schwierig, das Verhalten der Konsumenten zu ändern und eine Herausforderung für neue Kanäle. «Denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier, der sich in der vertrauten Gegend zurechtfindet», so Marcel Zbinden. Der zweite Grund, warum ein Einkaufscenter bei den Menschen Anklang findet, sei die Lage.
In der Regel könne man sagen: «Je näher man am eigentlichen Ort ist, wo der eigene Alltag stattfindet, desto mehr lässt sich das Convenience Shopping in den eigenen Alltag einbauen.» Mit Convenience Shopping ist die Bequemlichkeit des Konsumenten beim Einkauf von Lebensmitteln und Dienstleistungen gemeint.
Die Kundenzufriedenheit mit einem Einkaufscenter hänge mit verschiedenen Faktoren zusammen. Dabei würden persönliche Erfahrungen eine grosse Rolle spielen, wie auch Gefühle, die mit solchen Besuchen verbunden sind. «Gerade bei einem leeren Einkaufscenter können die persönlichen Erfahrungen durchaus auch positiv sein: Beispielsweise muss man keinen Parkplatz suchen und es gibt keine Hektik in den Gängen», erklärt Zbinden.
Psychologie ist ein wichtiger Faktor
Es kann aber auch in die andere Richtung laufen. Das seltsame Gefühl, wenn man durch leere Gänge läuft, oder auch die mediale Berichterstattung könnten sich stark auf die Kundenzufriedenheit auswirken. «Aus psychologischer Sicht stellt sich hier immer die Frage, wie man diese Gefühle und Berichterstattungen persönlich aufnimmt und begründet.»
Wenn man dies mit einer schwächeren Leistung des Centers begründet, sei die Gefahr gross, dass man nicht mehr regelmässig dort einkaufen geht. «Dies kann dann zu einer gefährlichen Abwärtsspirale führen.» Das Verhalten würden sich allerdings von Mensch zu Mensch unterscheiden.
Das Ende der Center?
Wer denkt, dass das Online-Shopping sowieso den Tod für die Einkaufscenter bedeutet, dem widerspricht Marcel Zbinden. «Ich bin gar nicht so skeptisch, was die Zukunft der Einkaufscenter betrifft. Sie bieten nämlich Convenience, also die Bequemlichkeit des Shoppings, indem man alles an einem Ort besorgen kann.» Dieser Wert würde weiter an Bedeutung zunehmen.
Allerdings wird die Rolle der Einkaufscenter sich stärker vom Point of Sale zum Point of View verändern. «Dies würde bedeuten, dass man vor Ort das Produkt anschaut, testet und sich beraten lässt. Der Kauf selbst geschieht dann online.» Insofern würde der bereits länger anhaltende Trend «Omnichannel Marketing» weiter zunehmen. Also dass man zwischen dem E-Commerce und dem Einzelhandel ein kanalübergreifendes Einkaufserlebnis bietet. «Bereits heute kann man im Internet einen Artikel bestellen und im Laden abholen», so Zbinden. Dabei bestehe die Chance, dass der Kunde sich im Laden nochmals umschauen kann und eventuell noch zusätzlich ein Produkt vor Ort kaufen würde.
Dass Einkaufscenter gut laufen, bestätigen auch die Zahlen der Genossenschaft Migros Luzern vom Donnerstag. Der Surseepark machte beim Umsatz ein Plus von über vier Prozent, das Zugerland 1,4 Prozent und beim Länderpark bliebt zwar der Umsatz gleich, dafür nahm die Besucherzahl zu.