Zentralschweiz

Kantönligeist bei Quarantäne: Urner und Luzerner müssen – Zürcher nicht

Urner Corona-Hochzeit

Kantönligeist bei Quarantäne: Urner und Luzerner müssen – Zürcher nicht

Yanik Probst, 1. Oktober 2020, 20:01 Uhr
Der Urner Kantonsarzt hat am Dienstag 131 Gäste eines Hochzeitsfests in Schattdorf für zehn Tage in Quarantäne gesetzt. Einer der Hochzeitsgäste war positiv auf das Coronavirus getestet worden. (Symbolbild)
© KEYSTONE/GAETAN BALLY
131 Gäste einer Hochzeit in Schattdorf mussten am Dienstag in Quarantäne. Ein Gast wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Nun stellt sich aber heraus: Mehrere Gäste aus dem Kanton Zürich mussten nicht einmal in Quarantäne, weil sie keinen engen Kontakt zum Infizierten hatten. Gäste aus Uri oder Luzern hingegen müssen trotzdem in Quarantäne bleiben.

Man könnte von einem Musterbeispiel für den Kantönligeist im Kampf gegen das Coronavirus sprechen. Gäste aus verschiedenen Kantonen waren bei der Hochzeit im Kanton Uri dabei, bei der ein Gast positiv auf das Virus getestet wurde. Zunächst funktioniert noch alles so, wie es eigentlich soll. Alle Gäste können dank Contact-Tracing identifiziert und am Dienstag, 29. September, in Quarantäne geschickt werden. Wobei «alle» eben nicht ganz zutrifft: Gäste aus Zürich kamen ohne Quarantäne davon. Gäste aus anderen Kantonen hingegen nicht.

«Ich kannte die infizierte Person. Mit der Person hatte ich aber bis auf ein Hallo keinen Kontakt und sie war auch nicht in meiner Nähe», erzählt ein Hochzeitsgast aus der Zentralschweiz. Ausserdem war der infizierte Gast nur beim Apéro dabei. «Ich hatte dadurch auch keinen engen Kontakt, wie es sein müsste, damit ich jetzt zu Hause sitzen muss», so der Gast weiter.

Der Hochzeitsgast sitzt dann auch immer noch in Quarantäne. So wie alle Gäste aus den Kantonen Uri, Schwyz, Zug und Luzern. Mit dem gleichen Argument, dass sie eben keinen engen Kontakt zum Infizierten hatten, konnten Gäste aus dem Kanton Zürich der Quarantäne entgehen.

Zentralschweizer Kantone prüfen Quarantäne nicht individuell

Wie kann das sein? Ausgerechnet der Kanton Zürich, der fast täglich über 40 Neuinfektionen und am 30. September sogar 136 meldete, hat einen lockereren Umgang mit der Quarantäne-Regelung als die Zentralschweizer Kantone mit weniger Fällen.

Mitnichten sei man in Zürich einfach fahrlässiger. Offenbar beim Contact-Tracing aber breiter aufgestellt. Auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1 will sich die Zürcher Gesundheitsdirektion aus Datenschutzgründen nicht direkt zu den Hochzeitsgästen äussern, schreibt aber: «Durch die sehr ausführliche Befragung des Contact-Tracing-Teams wird jeder Fall genau analysiert und anschliessend überprüft ob und wenn ja wie lange und wie eng die Kontaktzeit war. Das Contact Tracing in Zürich ist sehr gut aufgestellt, sodass wir diese detaillierten Abklärungen machen können. Der Entscheid wird dann unter Berücksichtigung aller Faktoren gefällt.»

Sind die Zentralschweizer Kantone also beim Contact-Tracing einfach zu schwach aufgestellt? Wir haben in Uri und Luzern nachgefragt. «Bei privaten Anlässen, wo kein Schutzkonzept vorhanden ist, müssen alle Anwesenden in Quarantäne», heisst es beim Kanton Uri.

In Luzern, dem grössten Zentralschweizer Kanton, klingt es ähnlich. «Im Kanton Luzern beträgt die Sektorengrösse (ohne Schutzmassnahmen) 100 Personen. Eine Situation, wie sie sich in Uri nun präsentiert, kann bei uns somit nicht auftreten», erklärt David Dürr, Leiter Dienststelle Gesundheit und Sport.

Differenzierung auch im Kanton Luzern möglich

«Personen, die sich im gleichen Sektor befinden, sind sich der Tatsache bewusst, dass sie unter Umständen in Quarantäne müssten, falls jemand im Sektor positiv getestet wird», so Dürr weiter. «Deshalb werden ja auch die Kontaktdaten erhoben. Wer innerhalb des Sektors tatsächlich wie lange mit wem Kontakt hatte, lässt sich rückblickend nicht immer ermitteln. Dementsprechend ist unsere Handhabung.»

Ähnlich wie in Zürich versucht der Kanton Luzern aber auch eine Differenzierung zu machen. «Sollte sich dabei herausstellen, dass nur ein sehr kleines Ansteckungsrisiko bestand, erhält die betreffende Person eine Sensibilisierung und kann aus der Quarantäne entlassen werden.»

Hochzeit hatte ein gutes Schutzkonzept

Es ist also kein Kapazitätsproblem bei den Zentralschweizer Kantonen, sondern eine Grundsatzfrage. Oder eben der Kantönligeist. Genau das stört dann auch den betroffenen Zentralschweizer Hochzeitsgast. «Es ist noch eine schwierige Frage, wann in Quarantäne und wann nicht. Aber in einem solchen Fall, in dem man es relativ klar wüsste und differenzierter anschauen könnte, sollte man einen Schritt für die Wirtschaft und die Arbeitstätigen machen», ärgert er sich etwas.

Dass bei der Hochzeitsfeier eine besonders hohe Ansteckungsgefahr bestanden haben könnte, glaubt der Gast aus der Zentralschweiz im Übrigen nicht. Im Gegenteil. Das Schutzkonzept sei vorbildlich gewesen: Grosse Räume, gut durchlüftet dank offenen Fenstern und Türen, kein Buffet, Desinfektionsmittel und Gästeliste für das Contact Tracing. Eine «gediegene» Hochzeitsfeier, bei der man sich «sicher» fühlte, so der Gast.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 1. Oktober 2020 17:02
aktualisiert: 1. Oktober 2020 20:01